Orgelpfeifenpatenschaften

Folgender Artikel aus der HNA mit freundlicher Genehmigung durch Maja Koch, Mündener Allgemeine, HNA.

Die Paten der Orgelpfeifen


50000 Euro müssen die Lippoldshäuser für die Restaurierung ihrer Orgel aufbringen

LIPPOLDSHAUSEN. Blechernd dröhnt die Lippoldshäuser Orgel zu Gottesdiensten und Konzerten. Seit Jahrzehnten ist ihr Klang den Kirchgängern ein Graus. Doch die Renovierung würde viel Geld verschlingen. Etwa 100000 Euro. Die Hälfte übernimmt die Landeskirche, sagt Karl Gerhard Schütz vom Förderkreis Orgel Lippoldshausen. Doch ganze 50000 Euro muss das 700 Seelen Dorf aufbringen, um endlich wieder den schönen Klängen der 200 Jahre alten Orgel lauschen zu können. Die Frontpfeifen sind aus Zink, aber sie müssen aus Zinn sein, sagt Schütz. Erst dann klinge die Orgel wieder weich und volltönend. Was also tun? Bereits seit 1961 werden Erlöse aus Chorkonzerten und Kollekten gesammelt. Mit einem Karfreitagskonzert fing alles an, erinnert sich Schütz. Doch sprangen so trotz des guten Willens nur relativ geringe Beträge heraus. Als vor zwei Jahren fest stand, dass wir die Zuschüsse der Landeskirche sicher haben, haben wie gegrübelt, wie wir schnell an das nötige Geld kommen können, so Schütz. So wurde auf dem Dorf- und Bauernmarkt, bei weiteren Konzerten gesammelt. 30000 Euro kamen so zusammen. Damit haben wir nicht gerechnet. Im Dezember des vergangenen Jahres dann der Durchbruch: Die Lippoldshäuser entschlossen sich, eine Idee zu klauen. Patenschaften für die Orgelpfeifen, sagt Schütz schnell und lächelt dabei. Flink klappt der Senior seinen Aktenordner auf. Auf einer Seite ist die Front der historischen Heeren-Orgel eingezeichnet. Und viele der 47 äußeren Pfeifen sind beschriftet. Deutsches Rotes Kreuz, Kegelclub, Hermann Linne und viele Namen mehr hat Schütz dort eingetragen. Linne ist mit 85 Jahren der älteste Pate. Schütz zeigt die Preisliste. Mit 20 bis 250 Euro ist man dabei. Je größer die Pfeife, desto mehr muss man dafür berappen. Sonst gibt es keine Verpflichtungen. Auf die Rückseite werden die Namen der Paten eingraviert, so Schütz. Eine Idee, die schnell und gut ankommt. Und das nicht nur in Lippoldshausen: 39 der Pfeifen haben bereits einen Spender gefunden. Sieben suchen noch einen Paten. Es ist einfach toll, es machen fast alle Vereine und Verbände mit, freut sich auch Georg Göbel. Wir schaffen das, ist er überzeugt. Klar, dass auch Göbel zum Paten einer Orgelpfeife wurde. Ich war 18 Jahre Kirchenvorsteher, es ist Verpflichtung und Genugtuung für mich mitzumachen. Unsere Orgel in der schönen Kirche soll endlich wieder richtig klingen. So wie ihm ging es den meisten Unterstützern. Es hat sich schnell im Dorf rumgesprochen, und viele Leute haben sich gemeldet, andere habe ich angeschrieben, erklärt Schütz. Und auch von Tür zu Tür ist er in Lippoldshausen gegangen und hat nach Spenden gefragt. Wer keine Patenschaft übernommen hat, gab eine Geldspende. Fast alle haben mitgemacht, sagt Schütz stolz.Großeltern haben für ihre Enkel und Eltern für ihre Kinder eine Patenschaft übernommen. Karin Schop ist im Deutschen Roten Kreuz und im Ortsrat. Sie ist gleich drei Mal unter den Pfeifen-Paten vertreten. Vom DRK, dem Ortsrat und auch privat haben wir eine übernommen. Insbesondere die Initiative des DRK bedeutet ihr viel: Damit wollen wir ein Zeichen setzten, denn das Rote Kreuz gehört dazu. Wir sind ein Bestandteil von Lippoldshausen, und wenn wir mal nicht mehr sind, dann kann man sehen, was wir gemeinsam geschafft haben. Außerdem habe sich das DRK damit auch selbst ein kleines Geburtstagsgeschenk gemacht. Am 17. Februar feiern wir 250-jähriges Kirchjubiläum. Privat haben Karin Schop und ihr Mann sich ebenfalls für eine der Pfeifen entschieden: Es tut einfach in den Ohren weh, wenn man die schiefen Töne hört. Manche Pfeifen geben sogar Töne von sich, obwohl nur das Register gezogen worden sei. Das kann man sich nicht anhören. Und genau das soll sich bald ändern. Wir schaffen das, und wir wollen, dass es noch in diesem Jahr klappt, sagt Schütz. Kein Zweifel: Denn schon vor vier Jahren schafften es die Lippoldshäuser in einer gemeinsamen Aktion, den Innenraum der Kirche zu verschönern. Unsere gute Stube ist bereits in Ordnung, jetzt fehlt nur noch die Orgel. Kein Wunder, dass der Förderkreis das Tempo nun anzieht: Am 5. Oktober wird die Kirche 250 Jahre, und dann soll auch die Orgel wieder erklingen. Angesprochen von der Spendenaktion fühlen sich in dem Dorf Jung und Alt. Nicht alle gehen jeden Sonntag in die Kirche, aber wenn es darauf ankommt, sind sie dabei. Zu denen gehört auch Christian Mühlhausen. Er hat für seinen Neffen Louis Polej und auch selbst Patenschaften für die neuen Pfeifen übernommen. Der drei Monate junge Louis ist damit der jüngste Pate des Instruments. Obwohl ich nicht mehr dort wohne, möchte ich etwas für den Erhalt der Orgel tun, so Mühlhausen. Außerdem hofft er, dass auch sein Neffe eine Bindung zum Dorf entwickelt. Diese Patenschaft ist etwas besonderes. Egal, wo Louis später einmal auf der Welt leben wird, in der Kirche seines Heimatdorfes ist sein Name in der Orgelpfeife eingraviert. Dann weiß er, wo seine Wurzeln sind.

 

Mäuse nagen an Pfeifenköpfen

von Christian Mühlhausen

An der Lippoldshäuser Orgel nagt der Zahn der Zeit. Rund 200000 Mark werden für die Restauration des 203-jährigen Instrumentes benötigt, dass sich in einem schlimmen Zustand befindet.

LIPPOLDSHAUSEN Eine in Klarsichtfolie verpackte Mängelliste vom März 1984 liegt griffbereit für die Organisten neben der Orgel und seit dem hat sich der Zustand des Instruments weiter verschlechtert. Vom Pedal Posaune über Subbass und einzelnen Tasten des unteren und oberen Manuals ist sauber aufgelistet, was ein Organist den Ohren der Zuhörer möglichst nicht antun sollte. Denn fast nichts funktioniert an dem über 200-jährigen Musikinstrument wie es soll. Einige der 22 Register können gar nicht mehr gezogen werden, beim Ziehen anderer Register klingt - ohne, dass eine Taste gedrückt wird ein schauriges Pfeifen aus dem Orgelbauch. Mächtig erhebt sich das Werk des Orgelbauers Stephan Heeren auf der hölzernen Empore über dem Eingang. Links vom Organistensitz hängt ein blinder Spiegel, durch den der Pastor vom Altar aus dem Musiker für das nächste Lied zunickt. Über den beiden Tastenfeldern des Instruments hängt ein Metallschild. Auf ihm steht in geschnörkelten Lettern geschrieben: Conrad Euler, Kgl. Hoforgelbauer Hofgeismar, gegr. 1685 in Gottsbühren. Ein schmuckvoller Aufbau neben und über den Prospektpfeifen versperrt den Blick ins Innere der Orgel, der nur über die beiden seitlich angebrachten Klappen möglich ist. Öffnet man diese Klappen, zeigt sich die Kreativität der Organisten: Mit Zeitungen wurden die Löcher gestopft, aus denen Luft entwich. Der große Blasebalg ist mit Backsteinen beschwert. An Pfeifenköpfen haben Holzwurm und Mäuse genagt. Unüberhörbar ist auch für Gottesdienstbesucher der Zustand der Orgel. Es grenzt fast an ein Wunder, dass sich die Organisten mit der alten Dame arrangiert haben und die Gottesdienstbesucher mit nur wenig schiefen Tönen quälen. Die Orgel ist in die Jahre gekommen. Während die Kirche mit ihrem viele hundert Jahre alten Wehrturm in gutem Zustand ist, der Innenraum und die Wandmalereien vom Leidensweg Jesu 1999 aufwändig saniert wurden, bereitet die Orgel dem Kirchenvorstand Sorgen. Seit 1961 sammeln die Lippoldshäuser für die Orgelsanierung, rund 20000 Mark kamen bislang zusammen. Doch zu wenig für eine Restauration, die fast 200000 Mark kosten wird. Denn wenn 2003 das 250-jährige Bestehen des Kirchenschiffes gefeiert wird, soll die Orgel wieder im alten Glanz erstrahlen - und vor allem ertönen. Die Landeskirche Hannover beteiligt sich mit 100000 Mark an der Finanzierung. Der Rest muss aus der Gemeinde kommen. Im Mai gründete sich ein Förderkreis Orgel Lippoldshausen, dem Ursula Raddatz, Reiner Schob und Karl Gerhard Schütz angehören. Das Kunststück, welches 1999 in der Gemeinde gelang, als 20 000 Mark an Spenden für die anteilige Finanzierung der Kirchensanierung aufgebracht wurden, soll wiederholt werden.Und der Förderkreis ist auf einem guten Weg: 17000 Mark sind seit Mai gesammelt worden, nach einem Aufruf im Dorf gehen täglich weitere Spenden ein. Spendenkonzert Doch noch immer fehlen 60000 Mark. Ein Adventskonzert mit dem gemischten Chor des SGV Lippoldshausen am Samstag, 8. Dezember, um 18 Uhr in der Kirche soll ein weiterer Baustein zur Finanzierung sein. Karl Gerhard Schütz ist optimistisch: Wenn alles glatt läuft, fangen wir im nächsten Jahr an! Vorarbeiten sind bereits im Gange: Neben der Orgel zeichnet ein Fühler Temperatur und Luftfeuchtigkeitschwankungen auf. Nur wenn das Klima in der Kirche nicht schädlich für die Orgel ist, fließt das Geld der Landeskirche. Spendenkonto des Förderkreis Orgel Lippoldshausen: Kontonr. 1909999100 bei der Volksbank Göttingen eG, BLZ 26090050


Bollwerk in der Kirchenlandschaft

von Christian Mühlhausen

LIPPOLDSHAUSEN. Sie ist ein Bollwerk in der südniedersä¤chsischen Gotteshauslandschaft: Die Kirche von Lippoldshausen ist nicht die größte, nicht die höchste, nicht die Älteste in der Region. Aber nur wenige Kirchen haben einen solch imposanten und beeindruckenden Turm.
Der stammt aus dem Mittelalter - wohl aus dem 12. Jahrhundert - und diente mit seinen meterdicken Mauern den Lippoldshäusern mehrere hundert Jahre lang als Wehrturm. Dort suchten sie Schutz vor weltlichen und vor geistlichen Feinden.
Schon damals - nachweislich vor 1311 - war an den mächtigen Bruchstein-Wehrturm ein hölzerner Anbau angelehnt. Der allerdings war wohl öfter so marode oder brannte ab, dass man sich schließlich entschloss, einen massiven Anbau zu errichten.
Dieses Ereignis jährt sich in diesem Jahr zum 250. Male: 1753 wurde das massive Kirchenschiff errichtet, das in seiner Gestalt bis heute erhalten geblieben ist.
Auch in der Kirche hat sich nicht viel verändert: Der Innenraum ist geprägt von Kirchenbänken zur linken und zur rechten Seite sowie von den beiden Seiten- und der Orgelempore, gehalten von hölzernen Ständern.
Aus dem Baujahr des Kirchenschiffes stammt auch der beeindruckende Barockaltaraufbau mit Moses und Petrus als hölzerne Figuren. 7000 Thaler, so weisen es die alten Schriften aus, hat der Kirchenbau gekostet.
Mit dem Bau wurde auch der Altarraum aus der Sakristei des Turmes in das Kirchenschiff verlegt. Der Altarstein mit der eingemeißelten Jahreszahl 1582 fand seinen neuen Platznun zu Fuße des hölzernen Altaraufbaus.
Den größten Schatz der Kirche stellen die Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert im Turminneren dar. Einst wurden sie überputzt, somit allerdings auf Generationen konserviert. Bei Bauarbeiten wurden die Malereien 1911 entdeckt und restauriert. Zum 250. Geburtstag präsentiert sich die Kirche im neuen Glanz, denn im Jahr 1998 wurde dass Kircheninnere samt Altar restauriert und derzeit werden letzte Arbeiten an der sanierten Orgel durchgeführt.
Einen 250-jährigen Geburtstag feiert man nicht alle Tage. Der Kirchenvorstand Lippoldshausen hat zum Jubiläumstag ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. Ab 11 Uhr wird in einem Gottesdienst die restaurierte Orgel geweiht, die Predigt hält Lanessuperintendent Dr. Burghard Krause. Ab 12.30 Uhr beginnt das Gemeindefest rund ums Dorfgemeinschaftshaus. Es gibt Mittagessen, Kaffee und Kuchen, Beiträge vom Kinderchor, Sketsche vom Roten Kreuz sowie Kindertänze und Aktionen von Feuerwehr und Reservisten. Gegen 17 Uhr sollen die Urkunden der Orgelpaten ausgegeben werden, anschließend Fackelumzug für Kinder.